Montag, 7. August 2017

Mit Challenge zur Selbstakzeptanz

ACHTUNG - Ich möchte mit diesem Blogpost niemandem auf die Füße treten oder dessen Lebensweise kritisieren. Es handelt sich hier AUSSCHLIEßLICH um meine Gedanken zu einem Sachverhalt. 


Wenn man auf Facebook oder Instagram unterwegs ist, dann sieht und liest man immer wieder so etwas wie das folgende: Jemand verkündet, dass er eine Challenge macht. 30 Tage ohne Handy. Mehr Wasser trinken. Jeden Tag Yoga. You name it. Es geht hier also darum, etwas gutes, eine gesündere Lebensweise, mehr Bewegung, etc. umzusetzen. Dass man sich vornimmt, schlechte Verhaltensweisen wegzulassen und andere, bessere Verhaltensweisen zu etablieren. Und im besten Fall dauerhaft. Und das halte ich weiß Gott für eine gute Idee!

Mir stösst hierbei nur eine Sache auf: Es ist das Wörtchen Challenge. Warum ist das so?
Irgendwie schwingt für mich beim Wort Challenge Kampf mit. Natürlich ist die wörtliche Übersetzung von Challenge Herausforderung. Aber geht es nicht darum, etwas umzusetzen, komme was da wolle? Möchte man nicht dran bleiben, den inneren Schweinehund in die Schranken weisen? Ist das nicht ein bisschen ein Kampf gegen sich selbst?
Auch im Äußeren ist es doch irgendwie ein Kampf. Vielleicht hat jemand anderes diese Challenge ausgerufen, dessen Regeln definiert und nun möchte man sich daran beteiligen. Möchte die Challenge bestehen, genau so gut wie andere oder besser.

Und dann ist es ja auch eine interessante Entwicklung, dass sich in unserer schnelllebigen Welt immer mehr Menschen auf Dinge wie Achtsamkeit, Meditation oder Yoga besinnen. Eigentlich halte ich das für den genau richtigen Weg. Aber häufig habe ich das Gefühl, dass ein Gutteil der Menschen sich nur auf diese Dinge besinnt, um noch besser in oben erwähnter schnelllebiger Welt funktionieren zu können. Und das ist ja wirklich die allergrößte Ironie. 

Ja, ich gebe es zu, ich reagiere allenthalben sehr allergisch auf alles, was nach Leistungsgesellschaft riecht. Das in unserer Gesellschaft inhärente Motto des "Höher, schneller, weiter" versetzt mir einen gehörigen Schauer. Gleichzeitig möchte auch ich Ziele erreichen und mich weiterentwickeln. Wie passt das zusammen? Ich halte dies tatsächlich für eine sehr große Herausforderung (haha!), die ich noch versuche aufzulösen.

Momentan ist mein Ansatz stark orientiert am Konzept der Selbstakzeptanz (stark inspiriert haben mich hierzu die Bücher "Selbstmitgefühl" von Kristin Neff und "Nichts an Dir ist verkehrt" von Cheri Huber, aber auch alles mögliche im Netz zum Thema Selbst- und Körperakzeptanz, zum Beispiel der wunderbare Instagram-Account von Bodyposipanda). Ich hoffe, ich kann dieses Thema in die richtigen Worte fassen. Ich versuche es einfach mal:
Grob gesagt, bedeutet Selbstakzeptanz sich exakt so anzunehmen, wie man ist. Das bedeutet nicht, dass man sich selbst belügen soll! Man sieht sich selbst ganz klar mit all seinen Stärken und Schwächen und findet sich ok. Selbstakzeptanz bedeutet, den Stimmen, die sagen "Ich bin nicht gut genug" nicht mehr zuzuhören. So wie ich bin, bin ich gut. Ich muss nicht anders sein. Ich darf einfach nur sein - so wie ich bin. Selbstakzeptanz ist das Gegenteil von Selbsthass. 

Wenn ich mich also selbst nicht annehme und aus diesem Grund Dinge an mir verändern will, dann ist das Selbsthass. Wenn ich mir eine 30-Tage-Yoga-Challenge vornehme und es dann doch nicht - hey, nobody is perfect! - an jedem einzelnen Tag auf die Matte schaffe und mich dafür selbst runtermache, dann ist das Selbsthass. Cheri Huber sagt in Ihrem Buch "Nichts an dir ist verkehrt", dass der Selbsthass uns davon abhält, so zu sein, wie wir in unserem Inneren sind. Sie hat dafür ein sehr plakatives Beispiel gefunden:


"Ich gebe dir noch ein anderes Beispiel. Du beschließt, mit dem Laufen anzufangen. Und da ist diese Person, die dir helfen soll, ein Läufer zu werden. Du ziehst dein kleines Lauf-Outfit an und die Person sagt: 'Wieso hast du das denn angezogen? Mensch, siehst du bescheuert darin aus" Das wirst du doch nicht wirklich anziehen!' 
Also ziehst du andere Laufsachen an - du probierst mehrere Klamotten und zum Schluss gibst du die Diskussion einfach auf. Du wirst niemals gut genug zum Laufen aussehen und deswegen beschließt du einfach, es trotzdem zu tun. Du gehst raus und die Person sagt: 'Das nennst du laufen? Wie kommst du auf die Idee, dass du das hinkriegen würdest?' 
Jetzt möchte ich dir noch eine andere Möglichkeit vorschlagen. Wie wäre es, wenn die Person, die bei dir ist, sagt: 'Laufe in was auch immer, es ist völlig egal. Du siehst gut aus. Geh einfach nur hinaus und laufe. Das ist großartig! Du machst das prima. Wie lange bist du gelaufen? Zehn Minuten? Das ist grßartig.' 
Denke darüber nach! Welche Person möchte, dass du läufst und welche Person möchte, dass du nicht läufst?" ("Nichts an dir ist verkehrt", Kösel, 3. Auflage 2006, S. 48)

Interessanterweise ist mir erst gestern auch in Bezug auf Yoga und dem oben beschriebenem Phänomen des "Yoga/Meditation/Achtsamkeit für mehr Leistungsfähigkeit" ein interessantes und zu diesem Post äußerst passendes Zitat über den Weg gelaufen:
"Yoga is not about self- improvement, yoga is about self-acceptance."Gurmukh Kaur Khalsa
Gesehen habe ich das Zitat by the way in dem sehr zu empfehlenden Film von Shantipant Project über Dörte Kuhn von Kurvenreich-Yoga. Die Bodypositivity des Films ließ mein Herz vor Freude hüpfen!


Was bedeutet das also im Bezug auf Weiterentwicklung? Garantiert geht es bei Selbstakzeptanz nicht darum, so zu bleiben wie man ist, weil ja schon alles tipi topi ist. In meinen Augen geht es unter anderem viel mehr darum, sich selbst so zu behandeln, das nachhaltige Entwicklung überhaupt erst möglich wird. Erst wenn ich mich selbst so annehme, wie ich bin, kann ich so werden, wie ich bin. Im Konzept der Selbstakzeptanz ist enthalten, dass alles was ich brauche, bereits in mir drin steckt. Ich muss mir selbst nur die Erlaubnis geben, mich selbst zu entfalten.

Dazu braucht es liebevolle Güte. Und Geduld. 

Liebevolle Güte bedeutet, sich selbst zu behandeln, wie einen guten Freund. Wenn der etwas nicht geschafft hat, dann sagt man ihm nicht "Du Dummkopf, du wirst es nie schaffen", sondern man nimmt ihn in den Arm, tröstet ihn und überlegt gemeinsam, warum es schief ging und wie es besser gehen könnte.
Und Geduld - na ja das ist wohl eine ganz schwierige Tugend heutzutage. Immer muss alles sogleich geschehen. Aber eine persönliche Entwicklung benötigt nun mal Zeit. Wir sind Menschen, keine Maschinen. Wir haben gute und wir haben schlechte Tage. Das ist okay. 

Postkarte der wahnsinnig inspirierenden und vergnüglichen karindrawings

Soweit zu meinem theoretischen Wissensstand. Auf dem Papier klingt das ja schon mal ganz gut - finde ich zumindest. Aber in der Praxis tappe ich immer und immer wieder in die Falle von Selbsthass und alles gleich und sofort wollen. Und wenn ich das merke, nehme ich mich selbst in den Arm, schenke mir liebevolle Güte und gebe mir Zeit. Es ist ein langer Weg. Dieser Weg ist mein Leben. Und leben will ich jetzt, nicht erst, wenn ich eine höhere Daseinsstufe erreicht habe. ;) 


Habt es gut!

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